Was zu viel ist ist zu viel
Tschüss Google!
Ursprünglich sollte sich die Kolumne am Freitag um den Volksaufstand drehen. Doch dann kam die Meldung, dass die britische Regierung die Erlaubnis gegeben hat, Julian Assange an die USA auszuliefern. Jeder, der sich mit dem Prozess auseinandergesetzt hat, weiss, das kann sein Todesurteil bedeuten. Doch gestorben ist spätestens damit die Pressefreiheit. Ein Stück Demokratie und ein weiteres, das die Arbeit von Journalisten betrifft.
Die Oberflächlichkeit des Seins
In Deutschland glauben noch immer viele, dass Assange etwas „Böses“ gegen die Regierung getan hat und zu Recht verurteilt wird. Nicht wenige bezeichnen ihn als Verbrecher, dem sie das drohende Schicksal in den USA gönnen. Nun, wir leben in einer Zeit von überdimensionaler Gerechtigkeit, Menschenrechten und Krieg. Obwohl Krieg erst seit der Ukraine auf einem zweischneidigen Schwert sitzt. Denn dieser Krieg bekommt plötzlich viel Zustimmung. Bleiben wir jedoch bei Julian Assange und seiner drohenden Auslieferung an die USA.
Gegen die Anklage Assange: Ein nicht gehörter, stummer Schrei
Seit Jahren setzen sich unabhängige Medien, darunter auch das L4U Magazin, für die Freilassung Julian Assange ein. Der erste Artikel war eine Kooperation mit der Autorin Felicity Ruby, deren Artikel „Assange hinter Gittern“ ich übersetzt habe. Sie beschrieb die Situation Julians im britischen Gefängnis Belmarsh, das für seine extrem harten Haftbedingungen bekannt ist. Seither setzt sich weder die deutsche, noch eine andere europäische Regierung für den Australier und Wikileaks Gründer ein. Keine Regierung in Europa bot ihm politisches Asyl an.
Wie akzeptabel sind Kriegshandlungen?
In erster Linie Spionage, im Zuge dessen die Beschaffung geheimer Informationen der us-amerikanischen Regierung. Der schwierige Teil seiner Geschichte ist jedoch: Es handelte sich bei den beschafften und auf Wikileaks veröffentlichen Dokumenten um Kriegsverbrechen an Zivilisten. Belegt unter anderem durch Videos, die zeigen, wie Zivilisten getötet wurden. Natürlich schmeckt es der amerikanischen Regierung nicht, wenn jemand kommt und hauseigene Informationen veröffentlicht. Wäre da nicht der Journalismus. Eines der Standbeine des Journalismus ist die Aufgabe, Regierungen auf die Finger zu schauen und darüber zu berichten. Man muss schon fast sagen, eine der ursprünglichen Aufgeben, denn die Pressefreiheit wird weltweit seit Jahren dadurch bedroht, dass Journalisten eben nicht mehr frei schreiben können.
Auf der Bundespressekonferenz vom 17. Juni 2022 konnte man jetzt gar nicht so schnell antworten, da die Meldung ja erst kurz vor Beginn der PK rausging. Die erste Antwort, mit der sich die deutsche Bundesregierung wie so oft, herausredet. Wie schön, dass das Auslieferungsurteil noch nicht in letzter Instanz entschieden wurde. (Ironie wieder off). Offensichtlich völlig überrascht vom Urteil der britischen Instanzen ist die deutsche Regierung nicht in der Lage, Aussagen zu treffen, ob diesbezüglich Schritte unternommen oder Gespräche eingeleitet werden. „Unterschiedliche Schutzgüter müssen gegeneinander abgewogen werden“, genauso wichtig klingen „Fragen des staatlichen Geheimschutzes“. Alles schön und gut, ginge es hierbei nicht um die Offenlegung von Kriegsverbrechen. Und deshalb werden diese Frage im Falle von Assange in Spionage umbenannt.
Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Regierungen weltweit Kriege im Sinne „unterschiedlicher Schutzgüter“ führen dürfen, auch wenn dabei unschuldige Zivilisten getötet werden? Eine weitere Frage drängt sich auf: Warum dürfen solche Informationen nicht an die Öffentlichkeit? Die Antwort ist offensichtlich, denn wer läuft schon mit blutigen Händen durch die Politiklandschaft? In diesem Konflikt Assange/USA haben die Regierungen der Welt eine augenscheinlich klare Haltung. Sie möchten die staatlichen Schutzgüter der USA ebenso geschützt sehen. Und schützen damit gleichzeitig ihre eigenen.
Die Situation völlig nackt
Nimmt man dieser Situation dieDetails, bleibt eine Situation blank stehen: Eine Regierung ist im Krieg. Zivilisten kommen zu Tode. (Auf die Verlinkung eines dieser Videos wird verzichtet, weil es an Widerlichkeit kaum zu überbieten ist.) Diese Teile des Krieges werden jedoch nicht öffentlich kommuniziert. Ein Journalist findet jedoch geheime Dokumente und weil sie zeigen, wie unschuldige Zivilisten gezielt getötet wurden, veröffentlicht er diese, da es sich seiner Meinung um ein Kriegsverbrechen handelt. Mit der Anschuldigung Spionage wird jedem Journalist dieser Welt die Arbeitsgrundlage genommen. Denn indem man aus der Recherche eine Spionage macht, werden Journalisten zu potenziellen Spionen – insbesondere dann, wenn sie aufdecken, was Regierungen tun und verheimlichen.
Vergessen wir nicht: Wir sind das Volk
Die Menschen geben ihrer Regierung den Auftrag, das Land zu regieren. Deshalb haben sie auch das Recht, die Politik zu beobachten. Im übrigen ist die Liste der Menschenrechtsverletzungen seitens Regierungen noch nicht am Ende. Denn erst kürzlich, Anfang Juni 2022, wurde bekannt, dass eine der Anwältinnen des WikiLeaks-Gründers Julian Assange einen Vergleich mit der Regierung geschlossen hat, nachdem diese akzeptiert hat, dass sie wahrscheinlich Gegenstand einer „verdeckten Überwachung war, die ihre Menschenrechte verletzte“, sagte sie. Jennifer Robinson begrüsste eine Erklärung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die ihrer Meinung nach bedeutet, dass die britische Regierung „akzeptiert hat, dass ihre Rechte durch die Überwachung verletzt wurden“.
Robinson war eine der drei Hauptklägerinnen in einer Klage gegen die britische Regierung, die vor den Gerichtshof gebracht wurde. 2018 (Quelle: DailyMail)
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Stella Morris, die Ehefrau Assanges hat heute enthüllt, dass Julian Assange sich im Falle einer Auslieferung das Leben nehmen will. Nicht etwa, weil er zu feige wäre, sich den Anschuldigungen zu stellen, sondern weil schon länger bekannt ist, dass ihm eine gnadenlose Haft und wahrscheinlich Folter erwarten würde. Nach allem, was er bereits erlitten hat. Ein Trauerspiel, das die Welt nicht hinter diesem Mann steht, der für Pressefreiheit und Journalismus kämpft.
Hier können Sie Julian Assange unterstützen: Don´t extradite Assange
Zur Definition Kriegsverbrechen
Nehmen wir hier die so oft zitierte Quelle Wikipedia, die Kriegsverbrechen definiert.
Dies sind die Anklagepunkte gegen Julian Assange
1. Verschwörung wegen Verstoßes gegen das Spionagegesetz: 10 Jahre
2. Verstoß gegen das Spionagegesetz durch die Beschaffung von Guantanamo Bay Naval Base (GITMO) Akten durch Manning: 10 Jahre
3. Verstoß gegen das Spionagegesetz durch die Beschaffung von Cablegate durch Manning: 10 Jahre
4. Verletzung des Spionagegesetzes durch Manning’s Beschaffung von Irak-Kriegsprotokollen: 10 Jahre
5. Der Versuch, geheime Informationen zu beschaffen und zu erhalten: 10 Jahre
6. Unrechtmäßige Beschaffung und Empfang von GITMO-Dateien: 10 Jahre
7. Unrechtmäßige Beschaffung und Empfang von Cablegate: 10 Jahre
8. Unrechtmäßige Beschaffung und Empfang von Irak-Kriegsprotokollen: 10 Jahre
9. Verursachung einer rechtswidrigen Offenlegung durch Manning von GITMO-Dateien: 10 Jahre
10. Verursachung einer rechtswidrigen Offenlegung durch Manning von Cablegate: 10 Jahre
11. Verursachung der rechtswidrigen Offenlegung durch Manning von Irak-Kriegsprotokollen: 10 Jahre
12. Verursachung, dass Manning GITMO-Dateien kommunizierte, lieferte und übertrug: 10 Jahre
13. Veranlassung von Manning zur Kommunikation, Lieferung und Übertragung von Cablegate: 10 Jahre
14. Veranlassung von Manning, Irak-Kriegsprotokolle zu kommunizieren, zu liefern und zu übertragen: 10 Jahre
15. ‚ Reine Veröffentlichung‘ von afghanischen Kriegstagebüchern: 10 Jahre
16. ‚ Reine Veröffentlichung‘ von Irak-Kriegsprotokollen: 10 Jahre
17. ‚ Reine Veröffentlichung‘ von Cablegate: 10 Jahre
18. Verschwörung zur Verletzung des Gesetzes zum Computerbetrug und Missbrauch (CFFA): 5 Jahre
Beitragsfoto:
„The Subtle Roar of Online Whistle-blowing: Julian Assange“ by New Media Days is licensed under CC BY-SA 2.0 .