21. Juni 2025
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Wer hält in Europa die Zügel in Sachen Geoengineering?

Von Daniela Shams, 10. Juni 2025

In den europäischen Himmeln ziehen immer häufiger ungewöhnliche Streifen ihre Bahnen. Keine gewöhnlichen Kondensstreifen, sondern solche, die sich über Stunden zu dichten Wolkendecken ausbreiten und mit spürbaren Temperaturabfällen einhergehen. Für den Laien wirken diese Phänomene wie ein Wetterrätsel, doch sie regen zur Reflexion an: Sind diese Wolken das Resultat natürlicher Prozesse, des zunehmenden Flugverkehrs oder gezielter Eingriffe in die Atmosphäre? Die Spur führt in die Welt des Geoengineerings, einer Wissenschaft, die das Klima manipulieren will, um die globale Erwärmung zu bekämpfen.

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Doch wer in Europa trägt die Verantwortung für solche Aktivitäten? Die Antwort ist ernüchternd: Niemand scheint die Zügel in der Hand zu halten, obwohl aktiv geforscht wird. Insbesondere Grossbritannien spielt eine zentrale Rolle, während die Europäische Weltraumorganisation (ESA) technische Forschung betreibt und die EU in Brüssel ethische Kommunikationsstrategien entwickelt. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Situation, die Finanzierungsströme, die Rolle des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) und die offenen Fragen nach Transparenz und Verantwortung.

Scheinbar ein Kontinent ohne Steuermann

Geoengineering, die bewusste Manipulation des Klimas, ist kein Zukunftsszenario mehr. Techniken wie Solar Radiation Management (SRM), bei dem Sonnenlicht durch Aerosole oder Wolkenmodifikation reflektiert wird, oder Marine Cloud Brightening (MCB), bei dem Meereswolken aufgehellt werden, stehen im Fokus internationaler Forschung. Doch in Europa gibt es keine zentrale Behörde, die solche Projekte koordiniert, reguliert oder etwa medial kommuniziert. Stattdessen teilen sich die ESA und die EU die Aufgaben: Die ESA forscht an technischen Möglichkeiten, während die EU ethische Rahmenbedingungen und Kommunikationsstrategien entwickelt. Diese Aufgabenteilung wirkt jedoch wie ein Flickenteppich, der mehr Unklarheiten als Antworten liefert.

Die ESA ist durch Projekte wie ACtIon4Cooling aktiv in der SRM-Forschung tätig, das die Auswirkungen von Techniken wie stratosphärischer Aerosol-Injektion (SAI) und MCB mit Satellitendaten analysiert ESA ACtIon4Cooling. Parallel dazu finanziert die EU Projekte wie Co-CREATE, das sich mit der Governance und den ethischen Implikationen von SRM beschäftigt, ohne direkte Feldtests durchzuführen Co-CREATE Projekt. Diese Projekte deuten an, dass die EU zwar an der ethischen Debatte arbeitet, aber die tatsächliche Forschung oft an andere Akteure wie die ESA oder nationale Institute delegiert wird.

Warum Grossbritannien?

Grossbritannien steht im Zentrum der europäischen Geoengineering-Forschung, was die Frage aufwirft: Warum gerade dieses Land? Liegt es daran, dass das Vereinigte Königreich seit dem Brexit nicht mehr den Brüsseler Regeln unterliegt und somit grössere Freiheiten für kontroverse Experimente hat? Die britische Advanced Research and Invention Agency (Aria) finanziert mit etwa 57 Millionen Pfund das Programm „Exploring Climate Cooling“, das mehrere Projekte umfasst, die direkt mit Wolkenmodifikation und Temperaturmanipulation verbunden sind Aria Funding Projects. Zu diesen Projekten gehören:

  • De-risking Cirrus Modification: Mit 3,6 Millionen Pfund über 36 Monate untersucht dieses Projekt die Verdünnung von Zirruswolken durch Flugzeugemissionen, um das Klima abzukühlen. Beteiligt sind Institutionen wie das Imperial College London, die University of Leeds, die University of Vienna und RIKEN.
  • Monitoring Aerosol Climate Engineering (MACE): Mit 4,3 Millionen Pfund über 48 Monate entwickelt dieses Projekt Drohnentechnologie zur Überwachung von Aerosol-Emissionen, relevant für SAI.
  • Natural Materials for Stratospheric Aerosol Injection: Mit 5,5 Millionen Pfund über 36 Monate testet dieses Projekt natürliche Materialien für SAI-Alternativen, unter Beteiligung der University of Cambridge und Harvard University.
  • StratoGuard – Global Monitoring: Mit 600.000 Pfund über 36 Monate entwickelt dieses Projekt Mikroballons zur Überwachung der Stratosphäre.

Die Unabhängigkeit von EU-Regulierungen könnte Grossbritannien erlauben, schneller und mit weniger bürokratischen Hürden solche Experimente voranzutreiben. Doch die mangelnde Transparenz nährt Spekulationen, dass die beobachteten Wolkenformationen, lange Streifen, die sich zu dichten Wolkendecken ausbreiten, nicht nur Kondensstreifen, sondern das Resultat gezielter Forschungsflüge sein könnten The Chemical Engineer, 2025.

Die Rolle des ECMWF: Unbeteiligt, aber zentral

Das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) spielt eine zentrale Rolle in der europäischen Wetter- und Klimaforschung, bleibt jedoch offiziell von SRM fern. Es konzentriert sich auf numerische Wettervorhersagen und Klimamodelle, etwa durch das Integrated Forecasting System (IFS), das Vorhersagen für Parameter wie direkte normale Einstrahlung (DNI) für Solarenergie liefert Predicted direct solar radiation (ECMWF). Das ECMWF betreibt auch den Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS), der Daten zu Sonnenstrahlung und Aerosolen bereitstellt, die indirekt für SRM-Forschung genutzt werden könnten CAMS solar radiation time-series.

Trotz fehlender direkter Beteiligung an SRM ist das ECMWF grosszügig mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Im Jahr 2023 erhielt es 71,2 Millionen Pfund von externen Organisationen, darunter die EU durch Programme wie Horizon Europe und Copernicus, sowie 62,5 Millionen Pfund von Mitgliedsstaaten ECMWF Annual Report 2023. Diese Mittel fliessen in Projekte wie DANTEX und CATRINE, die sich auf Erdbeobachtung und Klimaforschung konzentrieren, aber keine SRM-Aktivitäten umfassen ECMWF Research Projects.

Die grosszügige Finanzierung regt die Frage an, ob die alarmistischen Darstellungen auf Wetterkarten, wie Temperaturen von 24 °C im Sommer als tief orangerot markiert, mit dem Einfluss des ECMWF zusammenhängen könnten. Pro-Argumente deuten darauf hin, dass die hochentwickelten Modelle des ECMWF die Wahrnehmung von Wetterphänomenen beeinflussen könnten, indem sie sensible Parameter wie Temperatur oder Wolkenbildung hervorheben. Kontra-Argumente betonen, dass diese Darstellungen eher auf öffentliche Sensibilisierung abzielen und nicht auf Geoengineering hindeuten. Dennoch bleibt die Rolle des ECMWF in der Debatte undurchsichtig, da seine Daten potenziell für SRM-Forschung genutzt werden könnten, ohne dass es selbst aktiv beteiligt ist.

Kontroverse und Unsicherheiten

SRM ist ein hoch kontroverses Thema, das wissenschaftliche, ethische und gesellschaftliche Debatten entfacht. Warnungen vor Umwelt- und gesellschaftlichen Risiken, wie stratosphärischer Erwärmung oder Änderungen der Regenmuster, sind allgegenwärtig. Der Weltklimarat (IPCC) hat vor grossen Unsicherheiten gewarnt, und es gibt Rufe nach einem Moratorium für SRM-Feldversuche NOAA State of the Science factsheet. Die folgenden Risiken stehen im Fokus:

  • Termination Shock: Ein abrupter Anstieg der Erderwärmung, falls SRM-Massnahmen beendet werden, könnte katastrophale Folgen haben Umweltbundesamt Geoengineering.
  • Regionale Ungleichheiten: SRM könnte Niederschlagsmuster verändern, etwa in Monsunregionen, und die Wasser- und Nahrungssicherheit bedrohen Geoengineering Monitor, 2025.
  • Ethische Bedenken: Kritiker wie Mary Church vom Zentrum für internationales Umweltrecht warnen, dass SRM die CO₂-Reduktion untergraben könnte, indem es als „Notfalllösung“ dargestellt wird Klimareporter.

Das ECMWF scheint sich von diesen Debatten fernzuhalten und konzentriert sich auf etablierte meteorologische Forschung. Es gibt keine Beweise dafür, dass das ECMWF direkt in SRM involviert ist, weder durch Forschung noch durch Finanzierungen oder Kollaborationen. Seine Arbeit bleibt auf Wetter- und Klimavorhersagen beschränkt, einschliesslich der Modellierung von Sonnenstrahlung für natürliche Prozesse ECMWF Climate Research. Dennoch könnten seine Daten indirekt für SRM-Forschung genutzt werden, was Fragen nach der Rolle solcher Institute aufwirft.

Andere Geoengineering-Techniken

Neben SRM gibt es andere Techniken, die mit Wolkenmodifikation verbunden sind:

  • Marine Cloud Brightening (MCB): Diese Technik sprüht Meeressalzpartikel in Meereswolken, um ihre Reflektivität zu erhöhen, was zu dichteren Wolken führen könnte. Projekte wie das Marine Cloud Brightening Project und das University of Washington Marine Cloud Brightening Program untersuchen diese Methode, aber es gibt keine Berichte über plötzliche dichte Wolken als direkte Folge (Marine Cloud Brightening – Wikipedia; University of Washington).
  • Israel-4 Cloud Seeding Experiment: Dieses Projekt, das seit 2013/14 läuft, konzentriert sich auf orographische Wolken im Sees Genezareth, um Niederschläge zu fördern, nicht um dichte Wolken zu erzeugen Cloud Seeding Experiments – Science.gov, was sich thematisch jedoch ähnelt.
  • Thailand Warm-Cloud Hygroscopic Particle Seeding Experiment: Von 1995 bis 1998 durchgeführt, zielte dieses Projekt auf Niederschlagssteigerung ab, nicht auf Wolkenmodifikation Cloud Seeding Experiments – Science.gov. Wieder Ähnlichkeiten.

Die folgende Tabelle fasst relevante Forschungsprojekte zusammen:

ProjektnameFokusRelevanz für dichte WolkenStatus
Marine Cloud Brightening ProjectMCB, Wolkenalbedo erhöhenMittel, könnte dichtere Wolken verursachenAktiv, Feldtests 2024
University of Washington MCB ProgramAerosol-Wolken-Interaktionen, FeldstudienMittel, kleinmaßstäbliche TestsAktiv, laufende Forschung
Israel-4 Cloud Seeding ExperimentOrographische Wolken, NiederschlagssteigerungNiedrig, fokussiert auf NiederschlagAktiv seit 2013/14
Thailand Warm-Cloud Seeding ExperimentHygroskopische Besamung, NiederschlagNiedrig, kein Fokus auf dichte WolkenAbgeschlossen 1995-98

Finanzierungsströme und beteiligte Akteure

Die Finanzierung von Geoengineering-Projekten in Europa ist vielfältig, aber oft undurchsichtig. Die EU finanziert Projekte wie Co-CREATE durch Horizon Europe, während die ESA Projekte wie ACtIon4Cooling unterstützt. Nationale meteorologische Institute, wie der Ungarische Meteorologische Dienst (OMSZ, met.hu) oder Météo-France, erhalten ebenfalls EU-Förderungen, die in die Entwicklung von Wettermodellen und Klimaforschung fliessen. Die folgende Tabelle zeigt die Finanzierung des ECMWF und anderer Institute:

InstitutLandFörderung (Beispiel)Arbeitsfeld
ECMWFEuropa (zentral)£71,2 Mio (2023, extern)Numerische Wettervorhersagen, Klimamodelle
OMSZ (met.hu)UngarnEU-Förderungen (Horizon Europe, Copernicus)Wettervorhersagen, agrometeorologische Analysen
Météo-FranceFrankreichEU-Förderungen (z. B. LIFE Adapto+)Klimaforschung, Küstenzonenmanagement

Die EU ist eine zentrale Finanzierungsquelle, insbesondere für das ECMWF, das 2023 insgesamt 156,8 Millionen Pfund an Einnahmen verzeichnete, davon 71,2 Millionen Pfund von externen Organisationen wie der EU und der ESA ECMWF Annual Report 2023.

Öffentliche Diskussion und Verschwörungstheorien

Die mangelnde Transparenz in der Geoengineering-Forschung hat zu Spekulationen und Verschwörungstheorien geführt, insbesondere im Zusammenhang mit „Chemtrails“. Medien wie The Chemical Engineer berichten über die Finanzierung kontroverser Experimente in Grossbritannien, während The Week die gespaltene öffentliche Meinung beleuchtet (The Chemical Engineer, 2025; The Week, 2025). Wissenschaftler wie Jim Haywood vom Met Office warnen vor den Risiken, während andere die Forschung als notwendigen Schritt gegen die Klimakrise verteidigen The Week, 2025. Diese Spaltung wird durch die fehlende zentrale Verantwortung verschärft, die es erlaubt, dass Projekte im Verborgenen laufen.

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Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Wer hält in Europa die Zügel in Sachen Geoengineering? Niemand, zumindest nicht offiziell. Grossbritannien treibt die Forschung voran, möglicherweise begünstigt durch seine Unabhängigkeit von EU-Regulierungen, während die ESA technische Studien durchführt und die EU Kommunikationsstrategien entwickelt. Das ECMWF bleibt offiziell unbeteiligt an SRM, liefert aber Daten, die potenziell für solche Forschung genutzt werden könnten. Die grosszügige Finanzierung des ECMWF durch die EU regt zur Überlegung an, ob alarmistische Wetterkarten mit der Rolle des Zentrums zusammenhängen könnten, doch es gibt keine direkten Beweise dafür.

Die Geoengineering-Forschung in Europa ist aktiv, aber die Verantwortung bleibt in der Schublade. Die Schuldzuweisungen an Verschwörungstheoretiker sind bequem, aber irreführend, denn die Fakten sprechen für sich: Europa experimentiert mit dem Klima, ohne dass jemand die Zügel in die Hand nimmt. Es ist an der Zeit, Transparenz zu schaffen und die Verantwortung klar zu definieren, bevor die Wolken über Europa noch dichter werden.

Quellen


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