Verfassungsänderungen in Ungarn für Kinder, Bargeld und Drogenpolitik im europäischen Vergleich
von Daniela Shams
Veröffentlicht am 25. März 2025
Ungarn arbeitet an einer Aktualisierung seines Grundgesetzes, das seit dem 1. Januar 2012 in Kraft ist. Die aktuellsten Änderungsvorschläge, die im März 2025 von der ungarischen Regierung diskutiert werden, konzentrieren sich auf drei Schwerpunkte: Den Schutz von Kindern, das Recht auf Bargeldnutzung und eine verschärfte Drogenpolitik. Diese Themen sollen in die Verfassung aufgenommen werden, um gesellschaftliche Prioritäten zu verankern. Wie stehen diese Vorschläge im Vergleich zu den Verfassungen anderer europäischer Länder? Dieser Artikel beleuchtet die Pläne anhand offizieller Quellen und zieht Parallelen zu Deutschland, Frankreich, Schweden und Polen.
Kinderschutz als Verfassungsauftrag
Die ungarische Regierung plant, den Schutz von Kindern explizit im Grundgesetz zu verankern. Laut der Webseite des ungarischen Parlaments (orszaggyules.hu) soll Artikel L erweitert werden, der bereits die Familie als Grundlage der Nation definiert. Der neue Passus sieht vor, dass jedes Kind Anspruch auf Schutz und Fürsorge hat, die für seine physische, geistige und moralische Entwicklung erforderlich sind. Zudem soll die Geschlechterdefinition – männlich oder weiblich – verfassungsrechtlich fixiert werden. Das ungarische Justizministerium (kormany.hu/igazsagugyi-miniszterium) betont, dass dies den gesellschaftlichen Wandel reflektieren und traditionelle Werte bewahren soll.
Im Vergleich dazu regelt das deutsche Grundgesetz (GG) den Kinderschutz indirekt. Artikel 6 GG schützt Ehe und Familie, während das Bundesverfassungsgericht den Schutz von Kindern als staatliches Ziel interpretiert. Eine explizite Geschlechterdefinition fehlt jedoch. Frankreichs Verfassung erwähnt Kinder nicht direkt, doch die Präambel von 1946 garantiert „Schutz der Familie“ und „gleiche Rechte für alle Kinder“, wie auf legifrance.gouv.fr nachzulesen ist. Schweden geht weiter: Kapitel 1, Artikel 2 des Regeringsformen nennt den Schutz der individuellen Entwicklung von Kindern als öffentliches Ziel (riksdagen.se). Polen verankert in Artikel 72 seiner Verfassung (konstytucja.gov.pl) ein ausdrückliches Recht auf Schutz vor Gewalt und Vernachlässigung für Kinder, ähnlich dem ungarischen Ansatz, jedoch ohne Geschlechterdefinition.
Ungarns Vorschlag hebt sich durch die Kombination aus Kinderschutz und Geschlechterfixierung ab, während andere Länder entweder allgemeiner bleiben oder den Fokus anders setzen.
Bargeld: Verfassungsschutz für eine Zahlungsform
Ein weiterer Vorschlag betrifft die verfassungsrechtliche Absicherung des Bargeldzugangs. Laut einer Mitteilung des ungarischen Finanzministeriums (kormany.hu/penzugyminiszterium) vom März 2025 soll Artikel 40 des Grundgesetzes ergänzt werden, um das Recht auf Nutzung von Bargeld als Ausdruck individueller Freiheit zu garantieren. Dies steht im Kontext der Initiative, Geldautomaten in jeder ungarischen Ortschaft zu installieren, wie auf kormany.hu dokumentiert. Das Ziel: finanzielle Unabhängigkeit der Bürger sichern, insbesondere in ländlichen Gebieten.
In Deutschland fehlt eine direkte Verfassungsregelung zu Bargeld. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch 2021 entschieden, dass Bargeld als Zahlungsmittel geschützt ist, da es Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (Artikel 2 GG) sei (bverfg.de). Frankreichs Verfassung schweigt zu diesem Thema, doch die Banque de France (banque-france.fr) betont die Bedeutung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel im Rahmen des Code Monétaire et Financier. Schweden, ein Land mit starker Digitalisierung, erwähnt Bargeld nicht im Regeringsformen, aber die Riksbank (riksbank.se) sichert dessen Verfügbarkeit gesetzlich. Polen regelt in Artikel 227 seiner Verfassung die Rolle der Nationalbank, ohne Bargeld explizit zu erwähnen (nbp.pl).
Ungarn wäre mit einer solchen Regelung ein Vorreiter, da kein anderes europäisches Land Bargeld derzeit direkt im Verfassungstext verankert hat. Der Ansatz spiegelt eine bewusste Gegenbewegung zur Digitalisierung wider.
Drogen: Nulltoleranz im Grundgesetz
Die ungarische Regierung plant, den Umgang mit Drogen drastisch zu verschärfen. Laut einer Veröffentlichung des Innenministeriums (kormany.hu/belugyminiszterium) vom März 2025 soll ein neuer Artikel eingeführt werden, der Herstellung, Vertrieb, Konsum und Werbung für Drogen verbietet. Begleitet wird dies von polizeilichen Massnahmen wie dem Programm „Delta“, das seit Anfang 2025 läuft. Ziel ist es, Drogen als Bedrohung für Gesellschaft und Gesundheit auszuschliessen, wie Ministerpräsident Viktor Orbán auf kormany.hu erklärte. Die Massnahme wird als präventiver Schutz für die Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, positioniert und knüpft an bestehende gesetzliche Regelungen an, die nun auf Verfassungsebene gehoben werden.
In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) den Umgang mit Drogen, doch das Grundgesetz enthält keine spezifische Vorschrift. Die Strafen variieren je nach Substanz und Menge (gesetze-im-internet.de). Frankreichs Verfassung schweigt ebenfalls, aber der Code de la Santé Publique verbietet Drogenkonsum und -handel streng und sieht hohe Geld- und Haftstrafen vor (legifrance.gouv.fr). Schweden verfolgt eine Nulltoleranzpolitik, die jedoch nicht im Regeringsformen, sondern im Narcotics Act geregelt ist, mit Fokus auf Prävention und Strafverfolgung (lagboken.se).
Polen verankert in Artikel 31 seiner Verfassung die Einschränkung von Freiheiten zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, was Drogenpolitik einschliesst, ohne sie explizit zu nennen (konstytucja.gov.pl). Ungarns Ansatz, die Nulltoleranz direkt ins Grundgesetz aufzunehmen, unterscheidet sich auch hier durch seine Verfassungsebene und die umfassende Verbotsstruktur von den gesetzlichen Regelungen anderer Länder.
Verfassungsprozess und europäische Parallelen
Die Änderungen bedürfen gemäss Artikel S des ungarischen Grundgesetzes (njt.hu) einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Der Entwurf wurde im März 2025 eingebracht, wie auf orszaggyules.hu dokumentiert. Öffentliche Konsultationen sind geplant, ähnlich wie bei früheren Änderungen. In Deutschland erfordert eine Grundgesetzänderung ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat (Artikel 79 GG). Frankreich verlangt eine Mehrheit im Parlament und eine Bestätigung per Referendum oder eine Dreifünftelmehrheit im Kongress (Artikel 89, legifrance.gouv.fr). Schweden benötigt zwei Parlamentsbeschlüsse mit dazwischenliegender Wahl (Kapitel 8 Regeringsformen, riksdagen.se). Polen setzt eine Zweidrittelmehrheit im Sejm und eine absolute Mehrheit im Senat voraus (Artikel 235, konstytucja.gov.pl).
Ungarns Verfahren ähnelt dem deutschen und polnischen Modell, unterscheidet sich jedoch durch die Einkammerstruktur des Parlaments, was den Prozess vereinfacht.
Schlussendlich: Ungarns Sonderweg im Detail
Die vorgeschlagenen Änderungen des ungarischen Grundgesetzes zu Kinderschutz, Bargeld und Drogenpolitik zeigen eine Mischung aus traditionellen und innovativen Ansätzen. Der explizite Kinderschutz mit Geschlechterdefinition hat Parallelen in Polen, bleibt aber spezifischer. Die Bargeldverankerung ist europaweit einmalig und hebt Ungarn von Ländern wie Schweden oder Deutschland ab. Die Drogen-Nulltoleranz im Verfassungstext übertrifft die gesetzlichen Regelungen anderer Staaten in ihrer Symbolkraft. Offizielle Quellen wie kormany.hu und orszaggyules.hu untermauern die klare Zielsetzung der Regierung, gesellschaftliche Prioritäten auf höchster Ebene zu sichern.
Dieser Vergleich zeigt, wie Ungarn mit seinen Vorschlägen teils bestehende Trends aufgreift, teils neue Wege beschreitet. Ein Thema, das in Europa weiter Beachtung finden wird. Die Kombination dieser Elemente, Schutz der jungen Generation, Sicherung traditioneller Zahlungsmittel und ein kompromissloser Kampf gegen Drogen, könnte als Modell für andere Länder dienen oder als Ausnahme wahrgenommen werden, je nach Entwicklung der kommenden Jahre.
Weitere Artikel im L4U Magazin für Sie ausgewählt

Ihre Entscheidung, Ihr Wohlbefinden: Lebensmittelallergien und Eigenverantwortung
Ein Schluck Limonade, und dein Hals kratzt. Ein Bissen Trockenfrüchte, und Ihre Haut juckt. Dein Körper spricht, und Konservierungsstoffe wie Kaliummetabisulfit (E224) und Natriumbenzoat (E211) […]